Ein Bauherr der Renaissance, ein überzeugter Protestant
und zwei Frauentagebücher


Eine Selbstdarstellung als historische Quelle

Lebensbeschreibungen, Reisetagebücher, Frauentagebücher, Aufzeichnungen und Hauschroniken zählten in der frühen Neuzeit zu beliebten literarischen Formen, vor allem beim Adel, wo die Selbstdarstellung der Familientradition verpflichtet war. Die Tagebuchaufzeichnungen der Esther von Gera umfassen die Jahre 1597 – 1611 und gewähren Einblick in ein Frauenschicksal, in die Geschichte einer Adelsfamilie und in eine Epoche der konfessionellen Auseinandersetzung und Verfolgung. Schreibanlässe für Esther von Gera waren die politische Ausnahmesituation, dem protestantischen Glauben in einem katholischen Land treu zu bleiben, dem überraschend verstorbenen Gatten ein ehrenvolles Gedächtnis zu bewahren und den Nachkommen ein autobiographisches Vermächtnis zu hinterlassen.



Gera – eine Adelsfamilie im konfessionellen Zeitalter

St. Gotthard Ortsansicht
Wapenstein der Gera. Foto: Reinhard Nimmervoll
Esther von Stubenberg stammte aus einer einflussreichen innerösterreichischen Adelsfamilie mit weitreichenden Beziehungen zum Grazer Hof, wurde streng protestantisch erzogen und heiratete 1583 den humanistisch gebildeten, mehrsprachigen jungen Grafen Hans Christoph von Gera, der mehrere Studienjahre in Italien, Frankreich und England verbracht hatte. Das junge Paar lebte etliche Jahre im Land ob der Enns, wo die Familie die große Herrschaft Waxenberg und die Pfandherrschaft Freistadt besaß. Nach dem frühen Tod des Bruders Carl von Gera übersiedelte die Familie in die Steiermark, wo Hans Christoph die Familiengüter Arnfels und Oberwildon verwaltete.

Nach dem Regierungsantritt Erzherzog Ferdinands in Innerösterreich 1595 wurde mit der Zerstörung protestantischer Kirchen, Bücherverbrennungen und Vertreibung der Prädikanten die Gegenreformation konsequent durchgeführt, was Hans Christoph und Esther von Gera bewog, ins Land ob der Enns zu übersiedeln. 1598 wurde die Burg Eschelberg als neuer Lebensmittelpunkt der Familie erworben und großzügig umgebaut. 1604 zogen die Geras wiederum ins Land ob der Enns, wo es eine selbstbewusste protestantische Adelskultur gab. Mit den Herrschaften Eschelberg, Waxenberg, Mühldorf und der Pfandherrschaft Freistadt zählte Hans Christoph von Gera zu den einflussreichen protestantischen Adeligen des Landes. 1606 wurde er in den Herrenstand von Österreich ob der Enns aufgenommen, 1608 zum Herrenstandsverordneten gewählt. Aus den Tagebuchaufzeichnungen der Esther von Gera geht hervor, dass die Familie mit den führenden protestantischen Adeligen des Landes freundschaftliche Beziehungen unterhielt. Es wurden Patenschaften übernommen, Hochzeiten, Taufen und Begräbnisse besucht.

Tief getroffen wurde die adelige Schreiberin durch den Tod ihres Gatten am 12. September 1609 in Linz Ausführlich schildert sie die Begräbnisfeierlichkeiten, die erst nach mehr als einmonatiger Vorbereitungszeit stattfanden. Hans Christoph von Gera wurde am 20. Oktober 1609 im Linzer Landhaus verabschiedet. Die Leichenpredigt hielt der Landhausprediger und humanistische Gelehrte Clemens Anomäus. Der Sarg wurde auf einem Schiff nach Ottensheim gebracht, in einem Begleitschiff befand sich die Witwe mit ihren beiden ältesten Söhnen und Verwandten und Freunden. Während die Trauergesellschaft in Ottensheim in Wagen umstieg und nach Eschelberg fuhr, verblieb der Sarg über Nacht in Ottensheim. Am nächsten Tag trafen die Herren von Starhemberg, Zelking, Volkersdorf, Polheim, Scherfenberg und Saurau ein und geleiteten den Leichnam zum Schloss. Nach einer Leichenpredigt, gehalten vor den versammelten Untertanen, in der Clemens Anomäus die Milde und Gerechtigkeit des verstorbenen Herrn gegenüber den Untertanen rühmte, wurde Hans Christoph von Gera in der Gruft der Schlosskirche bestattet.

Von nun an bestimmen Gedanken von Weltabkehr, Tod, Vergänglichkeit und Lebensschmerz die Tagebuchaufzeichnungen. Esther von Gera verstarb zwei Jahre nach ihrem Gatten 1611. Von den sieben Kindern war nur Felicitas im frühen Kindesalter gestorben, die vier Söhne hatten wie ihr Vater eine Ausbildung an italienischen Universitäten erhalten.



Emigration und Konversion

St. Gotthard Ortsansicht
Schloß Eschelberg, Barockaltar. Foto: Reinhard Nimmervoll
Eine Bruchlinie der protestantischen Adelskultur stellt das Jahr 1620 dar. In der Schlacht am Weißen Berg bei Prag siegte Kaiser Ferdinand II., Vertreter der Gegenreformation und des fürstlichen Absolutismus. Vor die Alternative gestellt, das Land zu verlassen oder den Katholizismus anzunehmen, entschieden sich die Söhne Hans Christoph, Wolf und Wilhelm für die Emigration, der jüngste Sohn Erasmus II. von Gera wurde katholisch, heiratete Anna Benigna von Pappenheim, die Tochter des bayrischen Statthalters Herberstorff, und behielt die Familiengüter. 1644, bzw. 1647 verkaufte er die Herrschaften Waxenberg und Eschelberg an Konrad Balthasar von Starhemberg. 1652 lebten Erasmus II. und seine Frau in Passau, sein Sohn Johann Veit hatte seinen Wohnsitz in Eschelberg. Für seine früh verwitwete Schwester Anna Susanna von Weißenberg, die in den Jahren 1647 bis 1653 ebenfalls Tagebucheintragungen machte, war Eschelberg geliebtes Refugium. Enge freundschaftliche Beziehungen gab es nach wie vor zu den Starhembergern. Neben dem katholischen Altar in der Schlosskapelle erinnert der protestantische Altar an die Geras, die die Bautätigkeit der Renaissance und protestantisches Adelsbewusstsein in Eschelberg repräsentieren.

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Literaturangaben:
Trauer und Gedächtnis, Zwei österreichische Frauentagebücher des konfessionellen Zeitalters, hrg. von Martin Scheutz und Harald Tersch, Wien 2003
Harald Tersch: Österreichische Selbstzeugnisse des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit (1400 – 1650), Wien – Köln – Weimar 1998
125 Jahre St. Gotthard im Mühlkreis, hrg. von Tiberius Binder, Waltraud Karl, Reinhard Nimmervoll, St. Gotthard 2014

Text: Monika Klepp
Bilder: Reinhard Nimmervoll

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Wappenstein der Gera. Foto: Reinhard Nimmervoll Wappenstein der Gera. Foto: Reinhard Nimmervoll Schloss Eschelberg, Barockaltar. Foto: Reinhard Nimmervoll Schloss Eschelberg, Evangelischer Altar. Foto: Reinhard Nimmervoll