Sagen in der Kunst- & Handwerksstrasse der Region Urfahr-West | |
Die Sage von Ottensheim
Am Fuße des mächtigen Schloßberges dehnt sich gegen Nordost der nette Markt aus, der, am 7. Juni 1899 von einer Feuersbrunst fast vollständig zerstört, freilich nicht immer, wie jetzt, Ottensheim hieß. Zu der Zeit, da barbarische Eindringlinge aus den Steppen Asiens der Römerherrschaft am jenseitigen Donauufer das Ende bereiteten, lebte hier ein kräftiger Germanenstamm, dessen Beschäftigung Jagd, Fischerei und Krieg und nur teilweise der Feldbau war. Ottensheim trug früher den Namen „Mitterau“, eine Fischeransiedlung, und jenes Ereignis, welches uns im Nibelungenlied zum erstenmale mit Mitterau bekanntmacht, lebt noch heute im Volksmunde, daß nämlich die herrliche deutsche Fürstin Chrimhildis mit einer auserlesenen Schar von Rittern, Edlen und Dienern über Jster (Donau) fuhr, um dem Könige Etzel nach Ungarn entgegenzuziehen. Ein würdiger, mit der Sehergabe ausgerüsteter edler Priestergreis, der sich mit im Gefolge befand, riet von der Weiterreise und Ueberfahrt ab, voraussagend, daß keiner mehr – als er allein – zurückkehre. Erbost über den lästigen Mahner, beschloß man, den Greis zu verderben und stürzte ihn während der Ueberfahrt in die Fluten. Ein mitleidiger Fischersmann der nahen Mitterau entriss den Wellen ihr Opfer. Längere Zeit genoss der Greis die Gastfreundschaft der bescheidenen Ansiedler; da aber trieb ihn ein inneres Sehnen an, zum Stabe zu greifen, noch einmal der schönen Heimat lachende Fluren zu schauen und den müden Leib in heimatlicher Erde am schönen Rhein zur letzten Ruhe gebettet zu wissen. Des Greises Prophezeiung traf mit furchtbarer Genauigkeit zu: weder die deutsche Fürstin noch deren kühne Recken sahen den heimatlichen Boden wieder: fern von der deutschen Heimat tränkten sie mit ihrem Herzblute die fremde Scholle. Zur Zeit Karl des Großen der Karolingschen Ostmark einverleibt und späterhin auch bei der Babenbergischen Ostmark beibehalten, verblieb Mitterau als Landesgut, bis dass es als Lehen einen Teil des Waxenberger Ländchens ausmachte. Ungefähr um diese Zeit erhielt der Ort den Namen Ottosheimb oder Ottenhaimb = Ottensheim, und zwar, wie die Sage berichtet, auf folgende Weise: Ein prachtvoller Morgen des Jahres 1208 wars und der Sonne goldene Strahlen zeichnete mit feurigem Griffel den Morgengruß auf die Fluren, Wälder, Wiesen, Berge und Täler, die damals durch rastlose Arbeit der Mönche und Klosterbewohner kaum mehr die Spuren der einstigen unwirtsamen Umgebung erkennen ließen. Friedlich lag die Ansiedlung Mitterau da, von der Donau neckischen Wellen umspült. Ein Holzschiff in den kaiserlichen Farben landete und eine Frau mit einigen Begleitern entstieg dem Fahrzeuge. Es war die Kaiserin Eleonore, welche auf ihrer Fahrt nach Wien von Geburtswehen befallen, hier das Land betrat. Die hohe Frau fand bei den damaligen Schiffmeistersleuten freundliche Aufnahme. Kurze Zeit darauf genas die Fürstin von der Geburt eines kräftigen Prinzen, welcher in der Taufe den Namen Otto erhielt, weshalb man, um dieses Ereignisses willen, den Namen Mitterau in Ottensheim abänderte. Als sich die hohe Frau kräftig genug fühlte die Fahrt fortzusetzen, schied sie, begleitet von den Segenswünschen der achtbaren Schiffmeistersfamilie, deren Haus heute noch im Orte steht, als das „Winzer- oder Steinschnackhaus“ bekannt. Den altertümlichen gotischen Bau schmücken zur ewigen Erinnerung an diese Tatsache Inschriften und bildliche Darstellungen auf der vorderen Seite des Gebäudes. Auf einem blauen Baldachin, den ein Fürstenhut schmückt, sehen wir ein Windelkind, während ein zweiter den Doppelaar (Hausaar) mit nachstehenden Inschriften aufweist, die in Marmorplatten eingemeißelt, folgenden Wortlauf haben: Khaiser Otto Außerkohrn Zu diesem Hause ist gebohrn Anjetzo da gezehlet war 1 2 0 8 Jahr Da Ottenshaimb No nit genannt war. Dies am linksseitigen Feld der Marmortafel. Das rechtsseitige Feld enthält den Vers: Leopoldus klar wie die Sonntag Eleonore wie der Mon Dies Jahr ein Stern ist außerkohrn Den andern Fürsten hamb gebohrn Gott geb dem Haus von Österreich Das bitten alle Ständ zugleich Glück im Regiern u. langes Leben Leopoldo und seine Erbn. Daran schließt sich, bezughabend auf die Renovierung des historischen Baues, nachstehende Widmung an: 1 6 6 5 Ist dieses Haus neu renoviert Da Kaiser Leopold regiert. Im Stiegenhause des ersten Stockes findet der Besucher des berühmten Hauses eine Marmorplatte mit einer Inschrift, die mit den vorhergehenden Versen in Einklang steht und folgenden Wortlauf hat: Khaiser Otto außerkohren In diesem Haus ist gebohren Anno 1 2 0 8 Jahr Da Ottensheim nit genannt war Renovirt 1 6 6 5 D. R. M. Obwohl vielfach ins Reich der Sage verwiesen, so scheint diese Behauptung doch in vieler Hinsicht anfechtbar und es liegt sehr nahe, dass hier Dichtung mit Wahrheit vermischt und Aktenstücke aus jener Zeit eine befriedigende Lösung dieses Knotens ermöglichen würden. Unter Leopold dem Glorreichen erhielt Ottensheim das Marktrecht und Wappen verbrieft (1212). Auch Weinbau trieben die Ottensheimer, gleich den Bewohnern von Aschach an der Donau, welches Privilegium der Ort durch Herzog Thassili II. von Bayern erhielt und heißt noch heute die nächst dem Bahnhof befindliche Anhöhe „im Weinberg.“ Zur Zeit, da nach Sage wie Geschichte Mitterau seinen Namen für Ottensheim vertauschte, soll nach mündlicher Überlieferung der alten Leute die Pfarrkirche in dem vom Orte Ottensheim ungefähr zehn Minuten entfernten Höflein an der Rottel gewesen sein. Dort steht ein Haus, welches man noch heute das „Kirchenhaus“ nennt. Der Bau der einstigen, jetzt nicht mehr benützten Pfarrkirche an der Donau, dürfte, nach der Bauart zu schließen, in die Anfangszeit des 13. Jahrhunderts zurückzuführen sein. Die Kirche, seit 1240 Eigentum des Stiftes Wilhering, galt noch 1292 als Nebenkirche zu Grammastetten. Nach jener Zeit erst erscheint Ottensheim als selbständige Pfarre, welche dann später im 15. Jahrhundert in der jetzigen Kirche am Kirchenplatze ein prachtvolles Gotteshaus erhielt. Die Auflassung der alten Kirche an der Donau blieb, wie man erzählt, unsrem Jahrhunderte vorbehalten. Dieselbe war dann Stall, Wagenschuppen und Fässerboden, bis der Orgelbauer Breinbauer (der Vater des jetzigen gleichnamigen Orgelbaumeisters) das verwahrloste Gotteshaus für sein Geschäft um mäßigen Preis und der Bedingung, dass die Kirche nicht in die Hände Andersgläubiger gerate, sondern um den gleichen Preis vom Stifte Wilhering eingelöst werde, von dem letzteren kaufte. |